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Wo ist bitte Framingham?

... und warum soll uns das interessieren?


Ausgangspunkt unseres heutigen Posts ist ein kleines, verschlafenes Dorf in Gallien, wo eine Gruppe Gallier friedlich vor sich hin lebt bis eines Tages die Römer versuchen ihr Dorf zu erobern.


Und? Habt ihr eine Assoziation von welcher Geschichte und welchem Dorf ich spreche?


Ich bin mir sicher, ihr wisst wovon ich spreche! Denn wer kennt es nicht - das gallische Dorf (das übrigens keinen offiziellen Namen trägt) und besonders seine Bewohner*innen? Immerhin wissen wir so einiges über sie. Über den Druiden Miraculix, der die anderen mit Zaubertrank unbesiegbar macht und Obelix, der als Kind in diesen Trank gefallen ist und eine unglaubliche Vorliebe für Wildschweinbraten hat. Und dann ist da natürlich auch Asterix, der immer einen schlauen Einfall hat und Idefix, der niedliche, schwarz-weiße Hund.


Aber kennt ihr auch Framingham und seine Bewohner*innen? Wahrscheinlich nicht. Tatsächlich weiß man aber so einiges über die. Wahrscheinlich noch mehr als über Asterix und Obelix.


Framingham ist eine Kleinstadt im Bundesstaat Massachusetts in den USA. Dieser Ort ist deshalb so bedeutsam, weil er in 1940er Jahren ausgewählt wurde, um bei der Bevölkerung die Ursachen und Risiken von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (HKEs), besonders der Atherosklerose, zu untersuchen. Bis dato hat man nämlich nicht gewusst, warum diese Erkrankungen die häufigste Todesursache in den Vereinigten Staaten von Amerika sind. Damals starben ca. 50% aller Amerikaner an diesen Erkrankungen und es wurde als fast unvermeidbar angesehen einmal einem Schlaganfall oder Herzinfarkt zu erliegen. Natürlich gab es Hypothesen (also gut begründete Annahmen) welche Faktoren dazu führen, aber eine großangelegte, wissenschaftliche Studie wurde zu diesem Zeitpunkt noch nicht durchgeführt. Das war also der Startpunkt einer der längsten epidemiologischen Studien, die weltweit je durchgeführt wurde (denn sie läuft auch heute noch) und allgemein als die „Framingham Heart Study“ bekannt wurde.



Warum wurde diese Studie aber genau in Framingham angesetzt? Auf der einen Seite gab es eine gute geographische Nähre zu vielen Kardiologen der Harvard Medical School. Außerdem wurde die Bevölkerung Faminghams als Durchschnittsbürger*innen der USA in den 1940er Jahren angesehen.


Während der ersten Phase der Studie wurden gut 5000 Teilnehmer beiderlei Geschlechts zwischen 30 und 60 Jahren rekrutiert. Diese wurden dabei in die unterschiedlichsten Gruppen eingeteilt, z.B. „trinkt viel Alkohol“, „hat hohe Blutfettwerte“ usw. Alle hatten zur Zeit der Rekrutierung noch keine diagnostizierten Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Diese definierten Gruppen wurden dann untersucht und mit anderen Gruppen verglichen, die diesen Faktoren nicht ausgesetzt waren, sonst aber ähnlichen Alters und Geschlechts waren. In den darauffolgenden Jahren wurden diese Gruppen beobachtet und der Ausbruch von Herz-Erkrankungen mit unterschiedlichsten Risikofaktoren verknüpft (1).


Über die Jahre hinweg konnten dadurch viele Erkenntnisse gewonnen werden, die heutzutage als allgemein gültig angesehen werden. Unter anderem wurden dabei die Hauptrisikofaktoren – erhöhter Cholesterin-Spiegel, Blutdruck und Blutzucker – erkannt und umfassend beschrieben. Es wurde unter anderem auch gezeigt, dass das Risiko für HKEs dramatisch nach den Wechseljahren bei Frauen steigt (2) oder der Zusammenhang von Fettleibigkeit und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, genauso wie der von psychosoziale Faktoren. Das Tolle an der Studie ist, dass sie sich über viele Jahre erstreckt und auch die nächsten Generationen, sprich die Kinder und dann auch die Enkelkinder, eingebunden wurden und zusammen mit den ersten Proband*innen weiterhin untersucht wurden. Das führte zum Beispiel zu der Erkenntnis, dass ein Elternteil mit Herz-Kreislauf-Erkrankung in der Vergangenheit das persönliche Risiko einer ebensolchen Erkrankung verdoppelt!


Noch ein paar Facts&Stories über die Studie:


♡ Sie wurde nach dem Tod von Präsident Roosevelt gestartet, der mit einem Blutdruck von 300/190 mmHg an einer Hirnblutung in Folge eines Schlaganfalls starb. Damals wurde sein Risiko mit hohem Blutdruck zuallererst hinunter gespielt und als es dann erkannt wurde, gab es eigentlich keine guten Behandlungsmöglichkeiten. Sein tragischer Tod war nur ein prominentes Beispiel wie es so vielen Amerikaner*innen und auch Europäer*innen erging (1).


♡ In der ersten Studienphase wurden ungefähr 94 000 Dollar beantragt, darunter auch für die Aschenbecher der Mitarbeiter*innen, die rauchten.


♡ Aus der Studie kamen auch andere Erkenntnisse, wie zum Beispiel das Ergebnis, dass Glück ein gemeinschaftliches und ansteckendes Phänomen ist (3).


Als ich in die größte wissenschaftliche Suchmaschine für Fachliteratur, dem PubMed, den Suchbegriff *Framingham Heart Study* eingegeben habe, erhielt ich über 6000 wissenschaftliche Publikationen! Die ersten wichtigen Erkenntnisse und zwar, dass Bluthochdruck über 160/95 mmHg das HKE Risiko ums 4-fache erhöht, wurde 1957, fast 10 Jahren nach Studienbeginn veröffentlicht (4). Die Erkenntnisse, die wir aus dieser und ähnlichen Studien ziehen, reißen aber nicht ab und sie verdeutlichen immer wieder, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen durchaus vermeidbar sind! Ein ganz neues Ergebnis zeigt, dass Gehen zwar gut ist, aber etwas gesteigerte Anstrengung (also das Herz gescheit zum Schlagen bringen) besser vorbeugt!

Wenn ihr jetzt also das nächste Mal hört – wo ist denn eigentlich Framingham? Und was hat es damit auf sich? – könnt ihr darauf antworten: „Wart mal! Das ist doch diese amerikanische Kleinstadt, von der wir all das Herz-Wissen her haben!“.




Quellennachweis:
(1) Mahmood SS, Levy D, Vasan RS, Wang TJ. The FraminghamHeart Study and the epidemiology of cardiovascular disease: a historical perspective. Lancet. 2014 Mar 15;383(9921):999-1008. doi: 10.1016/S0140-6736(13)61752-3. Epub 2013 Sep 29. PMID: 24084292
(2) Kannel WB, Hjortland MC, McNamara PM, Gordon T.Menopause and risk of cardiovascular disease: the Framingham study. Ann Intern Med. 1976 Oct;85(4):447-52. doi: 10.7326/0003-4819-85-4-447. PMID: 970770
(3) Fowler JH, Christakis NA.Dynamic spread of happiness in a large social network: longitudinal analysis over 20 years in the Framingham Heart Study. BMJ. 2008 Dec 4;337:a2338. doi: 10.1136/bmj.a2338. PMID: 19056788
(4) DAWBER TR, MOORE FE, MANN GV.Coronary heart disease in the Framingham study. Am J Public Health Nations Health. 1957 Apr;47(4 Pt 2):4-24. doi: 10.2105/ajph.47.4_pt_2.4. PMID: 13411327
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