*Nicht jeder Start ins Leben ist einfach - Diagnose Fallot'sche Tetralogie*
Unser heutiger Gastbeitrag wurde von Sarah (33) verfasst, die die Mutter eines herzkranken Kindes ist. Wie fühlt man sich, wenn man diese Diagnose erhält? Wie geht man damit um und was passiert danach? Sarah schildert ihre Gefühle und all diese Erlebnisse sehr eindringlich und wir sind ihr sehr dankbar für diesen wertvollen Beitrag, der bestimmt auch anderen Eltern in dieser Situation Mut gibt.
Also liebe Sarah, herzähl mal:
Die Schwangerschaft
Als ich im März 2020 den positiven Schwangerschaftstest in der Hand hielt, waren wir eine Patchworkfamilie aus drei völlig unterschiedlichen Personen. Ich habe eine Adoptivtochter (8) in die Beziehung mitgebracht. Mein Partner, Thomas (45), hatte keine Kinder. Es fing damit an, dass die Schwangerschaft unter keinem guten Stern stand. Bei einem der ersten Ultraschalls hatte ich wegen massiver Blutungen eigentlich abgeschlossen. Ich war traurig, aber es war in Ordnung für mich, denn ich wollte nie unbedingt auf Teufel komm raus ein leibliches Kind. Als die Ärztin meinte, die Hämatome wären weg, aber das Baby noch da, hab ich zwei Tage gebraucht um das zu realisieren. Sie meinte damals schon 'Das wird mal ein Kämpfer'. Da wusste noch keiner, wie Recht sie behalten sollte...
Die Schwangerschaft war furchtbar - Übelkeit, Corona Lockdown, Homeschooling mit der Großen... Aber ich habe alles irgendwie überstanden. Bei Woche 36,5 kam es zum Blasenriss. Wir also ins Krankenhaus, Papa durfte nicht mit rein. Ich wollte einen Kaiserschnitt und musste darum kämpfen, weil so viel los war und ja alles gut aussah. Ich habe aber darauf bestanden. 3 Stunden später wurde Vito dem Papa übergeben - 2690 Gramm und kleine 48 cm.
Als ich ihn nach der Narkose endlich halten durfte, war ich sooo erleichtert, dass wir's hinter uns hatten. Aber weit gefehlt. Er hat die erste Flasche gut getrunken (Stillen war auch nicht möglich), danach ging so gut wie nichts mehr.
Irgendwann haben die Schwestern eine Pipette gebracht, weil er nicht trinken konnte und sobald was reinging, alles wieder rauslief. So ging es bis zum nächsten Tag, da kam meine Nachsorgeschwester, die ich schon 7 Jahre vorher hatte und meinte nur: 'Der gefällt mir nicht!' An Tag 3 hätten wir entlassen werden sollen. Am 2. Abend bin ich ins Stationszimmer und habe darum gebeten, dass ihn sich ein Arzt ansieht, weil er immer schlapper wurde. Die Gelbsuchtwerte stiegen, weil er ja fast nichts getrunken hatte.
Die behandelnde Ärztin war sehr jung, aber extrem bemüht. Als sie ihn abhörte, meinte sie nur, sie höre was und müsse die Oberärztin anpiepen. Nach Ewigkeiten kam die Dame dann, schwer genervt, da es schon nach 22 Uhr war. Auch sie hörte das Geräusch, aber „das sei nicht schlimm“, weil laut ihr „alles was man hört nix Schlimmes ist“... aber sie würde mal den Kardiologen anpiepen. Leider war der schon daheim und meinte: „Morgen Früh reicht auch, weil man hört ja was...“. Also zurück auf's Zimmer und ich habe mir die halbe Nacht eingeredet, es würde schon nix sein, weil man hört ja was und die Feindiagnostik war ja auch unauffällig...
Nächster Morgen, Ultraschall Kardiologie. Der Doktor vom Vorabendtelefonat schallte (bestimmt 10 Minuten wortlos) und meinte nur, als würde er sagen „Schönes Wetter heute“, „Ihr Sohn hat einen komplexen Herzfehler“.
Die Diagnose
Ab da wusste ich nicht mehr viel, nur die Worte 'Operation mit 6 Kilo', 'Trinkschwäche' und '4 Baustellen' blieben hängen. Er hat mir aufgemalt, was gemacht werden musste und ausgedruckt, was wir bis dahin beachten mussten. Dann wurde Vito mit sofortiger Wirkung auf die Neonatologie verlegt und ich sollte entlassen werden - 3 Tage nach Kaiserschnitt und ohne mein herzkrankes Baby.
Erstmal habe ich Thomas angerufen, der sofort kommen durfte, und die Diagnose 'Fallot'sche Tetralogie' und die Zeichnung an meine Nachsorgeschwester geschickt. Sie war immer schon direkt und sehr ehrlich. Es kam nur 'Shit' zurück und in der zweiten Nachricht, dass sie am Nachmittag käme. Von da an habe ich erstmal geweint, wusste aber, wenn uns jemand durch diese Zeit bringen würde, dann sie. Und so war es auch. Sie hat die Verlegung auf die Neo organisiert und alles in die Wege geleitet. Sie sagte: „Ich hab Sie noch nie angelogen, das wissen Sie und wir kennen uns schon lange...und wenn ich Ihnen sage - der packt das, dann packt er das!“. Von da an wusste ich, ja die Diagnose ist sc***e, aber er wird das überleben!
Also musste ich am Abend ohne mein Baby dieses Krankenhaus verlassen. Ich hab mich sooo auf meine Tochter gefreut, aber ein Teil von mir blieb im Krankenhaus. Bis heute ist das einer der schlimmsten Momente - der Weg zum Parkplatz kam mir endlos vor.
Ich durfte nachts so oft auf der Station anrufen, wie ich wollte, aber er hat selig geschlafen. Am nächsten Tag hatten wir eine Abklärung mit der Kardiologie und spätestens da wurde uns klar, dass wir Glück im Unglück hatten, weil sein Herzfehler reparierbar war.
Als wir zu Vito durften, war ich erstmal erschrocken, weil er eine Sonde gelegt bekommen hatte, um seine Ernährung zu gewährleisten. Aber seine Werte waren für seine Diagnose in Ordnung. Schon bald darauf konnten wir ein Fläschchen probieren und siehe da, mit 2x absetzen hatte er die komplette Flasche weggezogen und musste auch danach nie mehr sondiert werden. Innerhalb von einem halben Tag war er der Vielfraß der Station - einmal vollen Bauch erlebt und danach gab es kein Halten mehr.
Nach 3 Tagen auf der Neo durften wir Vito mit 2600 Gramm und Heimmonitor zur Sauerstoffsättigungsüberwachung endlich mit nach Hause nehmen und seiner Schwester vorstellen.
Endlich daheim – die Zeit bis zur Operation
Wir hatten wirklich Glück, dass Vitos Werte von Untersuchung zu Untersuchung (alle 2, dann alle 4 Wochen) immer stabil waren. Wir hatten zwar eine Notfallschulung und unseren Zettel, was im Ernstfall zu tun wäre, am Schlüsselbrett hängen (und ich hatte auch aus beruflichen Gründen schon mehrere Erste-Hilfe-Kurse am Kind hinter mir), aber die Angst, dass er bei Aufregung einen Blausuchtsanfall (charakteristisch für Fallot's und ein Indiz, dass die Operation zeitnah erfolgen sollte) bekommen würde, war in den ersten Tagen zu Hause immer präsent. Wir hatten ihn teilweise sogar tagsüber am Überwachungsmonitor, obwohl die Empfehlung war, ihn nur nachts anzuhängen. Nach einer gewissen Zeit legte sich die Angst etwas und wir lernten ihn kennen und konnten einordnen, wann es ein echter Alarm war, oder es am Gerät lag. Bis zu einem Tag kurz vor Weihnachten.
Vito war 5 Wochen alt, die letzten Untersuchungen waren unauffällig und er eigentlich ein ausgeglichenes Baby. An jenem Tag war er quengeliger als sonst, also schlossen wir ihn ausnahmsweise schon am Vormittag an den Monitor. Es dauerte nicht lang und das Gerät piepte und piepte. Mein erster Gedanke war: „Bitte kein Infekt und Weihnachten im Klinikum“. Also riefen wir die Nachsorgeschwester an und baten um Rat. Sie empfahl uns, den Sensor zu tauschen, abzuwarten und uns dann wieder zu melden. Also, Sensor erneuert, piepen, 2. Sensor ausprobiert, piepen. Langsam geriet ich in Panik. Die Schwester gab uns den Tipp, die Sensoren an uns selbst zu testen - piepen. Ich war erleichtert, dass es wohl nicht am Baby lag, aber woran dann? Im Endeffekt stellte es sich als ein technischer Defekt heraus, aber dieses Ereignis zeigte uns, wie sehr die Angst um den Kleinen da war. Zum Glück war dank Corona und dem Lockdown (ich hätte nicht erwartet, das jemals zu sagen) die Große nicht in der Schule und sammelte deswegen keine anderen Scheußlichkeiten ein, also blieben wir bis zum Frühjahr infektfrei.
Vito machte es uns leicht. Die Alarme hielten sich in Grenzen, er hatte nur wenige Sättigungsabfälle, er nahm wunderbar zu (wir sollten ja mindestens 6 Kilo erreichen) und er wurde, obwohl er des Öfteren wirklich aus Leibeskräften brüllte, wenn die Flasche nicht schnell genug fertig war, nie blau. Ich wagte es sogar einige Male beide Kinder bei meiner Mama zu lassen und Besorgungen zu erledigen, was kurz nach der Diagnose undenkbar war, da ich ihn nur schwer aus den Augen lassen konnte. Bis Anfang März war er ein zufriedenes, sonniges, immer hungriges, kleines Kerlchen und die dunklen Wolken zogen nur ab und an vorbei, wenn ich an die bevorstehende Operation dachte. An unserem nächsten Kontrolltermin im Klinikum wurde mir der vorläufige OP Termin mitgeteilt, da er die 6 Kilo beinahe erreicht hatte und die Werte ein wenig schlechter waren als beim letzten Mal. Ich tröstete mich damit, dass es ja immer noch beinahe nie piepte und bis zur Operation noch gute 6 Wochen Zeit waren.
Keine zwei Nächte später begann das Piepen des Monitors und hörte teilweise mehrere Stunden nicht mehr auf. Teilweise piepte er bis zu 40 Mal pro Nacht, meistens in den frühen Morgenstunden. Die Kardiologen meinten, so lange er nicht blau würde, gäbe es keinen Grund zur Sorge. Die Sättigungsabfälle waren ja Teil des Krankheitsbildes und die OP stünde auch bald an.
Ich hatte Angst vor jedem Piepen. Konnte selber nur noch schlecht schlafen und wünschte mir die so gefürchtete Operation herbei, nur um uns allen dieses furchtbare Geräusch endlich zu ersparen und mein 'repariertes Baby' wieder friedlich schlafen zu sehen.
Müssen wir doch früher operieren?
In der dritten Märzwoche wurde es teilweise so schlimm, dass ich morgens mit Vito vor dem offenen Fenster stehen musste, da er sich schwerer tat zu atmen (da fiel die Sättigung auf unter 80%). An einem Sonntag hörte das Piepen nicht mehr auf. Ich rief die Nachsorgeschwester an und sie meinte nur: „Pack eine Tasche und fahr mit ihm in die Notaufnahme, wir treffen uns nachher da, ihr geht vor der Operation nicht mehr heim". Ich saß da wie gelähmt.
Offiziell waren es noch drei Wochen bis zum geplanten Termin, wegen Corona würde ich die Klinik nicht verlassen dürfen und Mila würde uns nicht besuchen können. Thomas beschloss, sich statt mir stationär mit aufnehmen zu lassen, damit ich anfangs bei meiner Tochter bleiben konnte. Die Tatsache, sich quasi zwischen den beiden entscheiden zu müssen, war das Schwerste, was ich als 2-fach Mama je tun musste. Thomas fuhr mit ihm in die Notaufnahme und ich blieb bei meiner heulenden Tochter, die Angst hatte, ihren so ersehnten Bruder nie wieder zu sehen.
Die Zeit bis zum Anruf, wie es weitergehen sollte, zog sich wie Kaugummi. Das Ende vom Lied war, dass die Beiden stationär auf die Neonatologie kamen. Ich durfte abends noch ein paar nötige Sachen bringen und noch einmal mein Baby kuscheln. Die Beiden am Abend zu verlassen war hart, aber Mila wartete auf Neuigkeiten. Wir entschieden uns, sie aus Infektionsgründen ab sofort zuhause zu lassen und, um nicht jeden Tag 50 Kilometer bis zur Klinik zu haben, vorübergehend bei meinen Eltern zu bleiben. Ich durfte jeden Tag von 14-20 Uhr zu den Beiden auf die Station und versuchte am Vormittag so viel wie möglich an Homeschooling mit Mila.
So ging es 5 Tage lang, bis mich Thomas anrief und bat, sofort zu kommen. Vito war bei einer Blutabnahme zyanotisch (also blau) geworden. Die Ärzte waren alarmiert und drängten, die OP in München vorzuziehen. Geschockt machte ich mich auf den Weg, auf das Schlimmste gefasst. Als ich ankam, passte mich die Oberärztin ab und schilderte mir den Vorfall. Sie wolle unbedingt einen früheren Termin. Um die Zeit besser zu überstehen und weiteren Anfällen vorzubeugen, nahm sie eine Bluttransfusion vor, um Vitos Sauerstoffgehalt im Blut kurzzeitig zu verbessern.
Die Behandlung schlug gut an und er blieb bis zum Transporttag stabil. Dann war er da – der Tag des Transports nach München. Auch unsere Nachsorgeschwester war dabei, was mich ungemein beruhigte.
Der Rettungswagen, mitsamt Baby, und dem Team ist leider losgefahren, bevor wir unsere Sachen einladen konnten und ich musste alle Sachen für Thomas und Vito für einen unbestimmten Aufenthalt nach München bringen … es war ein bisschen wie Tetris im Kofferraum unseres Toyotas, der groß aussieht, aber leider winzig ist. Am schlimmsten war die leere Babyschale auf dem Rücksitz, ich hab mir echt die Tränen verkneifen müssen, wenn ich in seinen Babyspiegel geschaut habe.
Nachdem wir das Corona-Einlass-Prozedere überstanden hatten und endlich auf der richtigen Station angekommen waren, wurde uns nur gesagt, sie seien mit der Aufnahme beschäftigt, die Übergabe sei schon gelaufen und wir sollten bitte vor dem Zimmer auf dem Gang warten. Ich habe mein Baby vom Ende des Ganges brüllen hören und konnte nicht zu ihm. Um uns herum waren einige Eltern mit Kindern und Infusionsständern, die auf den Gängen spazieren gegangen sind. Es war trostlos und ich war schon wieder kurz vor dem Weinen, die Ungewissheit brachte mich fast um.
Endlich durften wir zu ihm - der Zugang am Kopf, den sie in Augsburg mühsam für die Bluttransfusion gelegt hatten, hatte Gott sei Dank gehalten. Seine Sachen waren in einer Plastiktüte an seinem Gitterbett und er hatte ein Krankenhaushemdchen an. In dem Moment ist mir bewusst geworden, wie krank er eigentlich war und dass sie morgen sein Herz lahmlegen würden.
Er sah wirklich jämmerlich aus mit all den Schläuchen. Bei dem ganzen Stress der Aufnahmeuntersuchungen hatte er auch wieder einen Blausuchtsanfall. Die Gespräche mit dem Trupp seiner behandelnden Ärzte habe ich wie in Trance mitbekommen, was glaube ich irgendwie auch Selbstschutz war. Ich wollte gar nicht jedes Detail des Eingriffs wissen. Ich wollte einfach nur, dass all diese Menschen ihren Job ernst nehmen und mein Baby retten - was sie auch getan haben.
Der Tag der Operation
Ich weiß nicht wie, aber wir haben beide gar nicht mal so schlecht geschlafen in dieser Nacht und sind direkt nach dem Aufstehen zu Vito gegangen.
Er lag in seinem Bettchen mit dem Mulltuch über dem Kopf und hat tief und fest geschlafen, auch, weil er schon eine leichte Sedierung bekommen hatte. Kaum waren wir da, kam der Stationsarzt und hat nur der Schwester die nächste Stufe der Sedierung in die Hand gedrückt. Sobald das Medikament verabreicht war, fingen alle Geräte in diesem Raum an zu piepen, er wurde furchtbar unruhig, war aber nicht wach. Die Sättigung fiel beängstigend ab und er wurde wieder blau, richtig blau, zum ersten Mal, dass ich es gesehen habe.
Ein Pfleger kam sofort herein, um ihm Sauerstoff zu geben und hat uns gebeten, uns sofort zu verabschieden, sie würden ihn postwendend in den OP bringen und alle nötigen Ärzte anpiepen, denn die Operation müsse noch schneller beginnen. Sie haben zu zweit sein Bett im Eiltempo zum Fahrstuhl gebracht, einer schob, der andere hat ständig die Sauerstoffzufuhr hochgefahren, da er immer noch blau war. Es war furchtbar.
Thomas und ich sind bis zum Fahrstuhl mitgegangen und mussten warten, bis nach einer gefühlten Ewigkeit die Schwester wieder zurückkam. Es sei alles im Griff, wir sollten die Klinik verlassen und erst wieder kommen, wenn der Anruf kam. Zum ersten Mal seit der Diagnose hatte ich Angst, dass mein Baby diese Operation nicht überleben könnte
Wir sind aus diesem Krankenhaus raus und spazieren gegangen, es war recht warm für Ende März und die Sonne hat geschienen, mehr weiß ich nicht mehr. Es war, als würde ich neben mir stehen. Ich weiß nur noch, dass ich mich irgendwie ablenken musste. Thomas hat eigentlich ständig nur irgendetwas gegessen und ich fand in den Tiefen meiner Make-up Tasche schwarzen Nagellack, also hatte ich mir zum ersten Mal, seit ich von Vito wusste, wieder die Fingernägel lackiert und bin endlich zur Ruhe gekommen, so blöd es klingt.
Sechs lange Stunden später kam der Anruf von seinem netten, russischen Chirurgen, der nur kurz und knapp meinte: „Alles gut - kommen 14 Uhr Intensivstation – Tschuss“. Selten war ich so verstört und zeitgleich so unglaublich erleichtert! Ich bin diesem Mann bis heute jeden Tag dankbar, dass er dem Herzen meines Sohnes einen guten 'Neustart' ermöglicht hat.
Meiner Mama zu sagen, dass alles gut gegangen ist, war wohl ihr schönstes Geschenk zum 60. Geburtstag.
Als wir endlich zu ihm durften, waren da natürlich mehr Schläuche als Kind und er war wirklich aufgequollen, aber lange nicht so schlimm, wie ich es befürchtet hatte.
Ich blieb bis zum Abend bei ihm und er war nur kurz wach, hat ein bisschen gejammert und hat sofort weitergeschlafen. Auch am nächsten Tag war er noch sehr sehr müde und apathisch, aber ab da ging es schon bergauf. Er war auf der Zwischenintensiv, wo er so lange bleiben würde, bis der Herzschrittmacher abgeschaltet und die Drähte gezogen werden könnten.
Er hatte wesentlich weniger Schläuche und vor allem wesentlich schlechtere Laune an diesem Tag, weil er von der Nahrung her extrem kurz gehalten wurde und eigentlich Dauerhunger hatte. Jedes Minifläschchen war innerhalb von Sekunden weggezogen und die Laune danach noch mehr auf dem Tiefpunkt.
Wir haben uns weiterhin mit den Besuchen bei ihm abgewechselt und seine Fortschritte waren enorm. Das Einzige was absolut nicht klappen wollte, war den Herzschrittmacher auszumachen. Nach 7 Tagen hieß es, wir sollten uns darauf gefasst machen, dass er ihn wohl für immer brauchen würde, was eine erneute Operation bedeutet hätte.
Ich bin absolut kein gläubiger Mensch, aber alle anderen um uns herum haben wohl gebetet, dass ihm das erspart bleibt. Unsere Nachsorgeschwester war entsetzt, weil ihr so etwas in all ihren Berufsjahren erst einmal vorgekommen war, dass ein 'Fallot' einen Pacer brauchte.
Aber es half nichts, die OP wurde für Tag 8 nach OP angesetzt. Dann kam ein Notfall dazwischen und sie wurde auf Tag 9 verschoben. Am eigentlich geplanten Tag, meinte unsere Ärztin, sie würde ihn jetzt schon mal langsam herunterdrehen, bis eine weitere Spezialistin käme. Sie drehte und drehte wieder und nochmal ein kleines Stück und ihre Augen wurden immer größer. Ich schaute zum Bildschirm und meinte nur 'Sie wollten ihn doch runterdrehen'.
Wir erwarten, dass Vitos Herz nun unregelmäßig würde, aber der Herzschlag blieb konstant und sie meinte dann 'Nein, nein, der ist inzwischen aus, die macht er selber!!!'
Foto: Vito - Vier Tage nach der OP sieht er schon fast wieder wie vorher aus. Photo Credits @sarah.v.henkel
Ich konnte nicht glauben, was sie da gesagt hatte, am Tag vorher war nichts Messbares da und jetzt absolut keine Aussetzer, nichts. Die Spezialistin kam an, warf einen kurzen Blick auf den Bildschirm und meinte nur, 'Was wollt ihr denn? Geht doch, ich glaube ihr schuldet mir eine Tafel Schokolade', drehte sich um und ging wieder.
Selten in meinem ganzen Leben, war ich so dankbar für eine verschobene Operation.
Nach zwei Wochen im Herzzentrum und ohne Herzschrittmacher wurden wir zur Verlaufskontrolle noch in unser Heimatkrankenhaus verlegt. Alles blieb ruhig. Vito überstand alle Tests mit Bravour und wir durften nach beinahe 4 Wochen Krankenhaus unser Baby 'repariert' wieder mit nach Hause nehmen.
Ich bin allen Menschen, die an Vitos 'Neustart' ins Leben in irgendeiner Form beteiligt waren für immer dankbar, aber unserer Nachsorgeschwester am aller aller meisten. Auch heute noch, über 6 Monate nach der OP kommt sie uns öfter besuchen und wird an allen Geburtstagen dabei sein und hoffentlich noch eine ganze Weile länger.
Aus unserem kleinen, leichten Baby, das wie ein zu früh aus dem Nest gefallenes Vögelchen wirkte, ist ein zufriedenes, normalgewichtiges Riesenbaby geworden, das nun schon über ein Jahr alt ist, geht und schläft wie ein Weltmeister, leidenschaftlich gerne isst und seine Schwester vergöttert.
Und wir könnten nach all den Sorgen nicht glücklicher sein, dass dem so ist. Jetzt würde ich nur gerne die Zeit anhalten, denn dieses Babyjahr ging gefühlt so viel schneller vorbei, als das der Großen, aber solange er sich so weiter entwickelt, darf er gerne groß werden. Denn wenn ich eines in der Zeit in München gelernt habe, dann dass das nicht selbstverständlich ist!
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Gerne könnt ihr Kommentare zu dieser Geschichte unten in der Kommentar-Box hinterlassen. Die Autorin Sarah findet ihr auf Instagram @sarah.v.henkel. Photo Credits @sarah.v.henkel
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